Edition Lebensretter / Verlag Jost Braun (Berlin & Leipzig)



Thomas Glöß:
"Druckschrift und Inschrift -
Formzusammenhänge und wechselseitige Einflüsse von frühen Druckschriften
und epigraphischen Schriften der Mitte des 15. Jahrhunderts
bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts in Deutschland",
27 x 20 cm, farbiger Festeinband mit 160 Seiten Inhalt s/w, 145 Abbildungen s/w,
Auflage 120 Exemplare, 53 Euro
(
Lieferung zuzüglich Versandkosten)

Abbildungen / images

INHALT

Einleitung
1. Druckschriften
1. 1. Paläographische Entwicklung der Buchschriften bis zur Frühen Neuzeit
1. 1. 1. Nomenklatur
1. 2. Paläotypische Entwicklung der Druckschriften 1450 bis 1520
1. 2. 1. Nomenklatur
1. 3. Wichtigste Frühdruckstandorte und Drucker
1. 4. Handwerksstand der Frühdruckstandorte
1. 5. Die Auszeichnungsschriften
1. 6. Verwendete Schriften nach ihrer Häufigkeit
1. 6. 1. Antiqua
1. 6. 2. Gotico-Antiqua
1. 6. 3. Rotunda
1. 6. 4. Textur
1. 6. 5. Bastarda
1. 6. 6. Schwabacher
1. 6. 7. Fraktur
1. 6. 8. Majuskeln, Initialen und Ornamentmajuskeln
2. Das typographische System der Anschlussbuchstaben
und seine epigraphische Entsprechung
3. Epigraphische Schriften
3. 1. Paläographische Entwicklung der epigraphischen Schriften bis 1530
3. 1. 1. Nomenklatur
3. 2. Die Majuskelschriften
3. 3. Die Minuskelschriften
4. Inschriftenträger
4. 1. Monumentale Inschriften
4. 1. 1. Grabplatten, Epitaphien
4. 1. 2. Glocken
4. 2. Kleinkunstinschriften
4. 2. 1. Münzen, Medaillen
4. 2. 2. Siegel
4. 2. 3. Pokale, liturgische Geräte
4. 3. Metallschnitte, Schrotblätter
4. 4. Bucheinbände
5. Formale Gemeinsamkeiten von epigraphischen Schriften und Druckschriften
5. 1. Interpunktionen und Antiqua
5. 2. Initialen
5. 3. Besondere Einzelformen
6. Techniken
6. 1. Gießtechniken
6. 1. 1. Bronze- und Messingguss
6. 1. 2. Sandgussverfahren
6. 1. 3. Typenguss, Handgießinstrument
6. 2. Graveur- und Stecherhandwerke
6. 2. 1. Goldschmiedehandwerk
6. 2. 2. Stempelschnitt
6. 2. 3. Punzierung
6. 2. 4. Holzschnitt
6. 3. Übertragungsverfahren
6. 3. 1. Abreibung, Schablone
7. Zusammenfassung

Anhang

Synchronoptische Tabellen zur paläographischen Entwicklung der lateinischen Schrift
1. Die Schriften vom Jahr l00-800 (Tabelle I)
2. Die Buchschriften von 800-1450 (Tabelle II)
3. Die Druckschriften von 1450-1530 (Tabelle III)
4. Die epigraphischen Schriften von 100-1530 (Tabelle IV)
5. Von der Vorlage zum Druck, Schema der Stempelherstellung

Glossar: Epigraphische und typographische Begriffe
Siglenverzeichnis
Literaturverzeichnis
Abbildungsnachweis
Danksagung

EINLEITUNG

»Ich halte es für nicht unwahrscheinlich, daß weitere Untersuchungen den Beweis erbringen werden, daß gewisse gotische Druckschriften Handwerkern in Metall und Stein mehr und Schreibern weniger verdanken, als wir gegenwärtig zuzugeben geneigt sind.«
(Stanlay Morison)

Ausgangspunkt dieser Untersuchung ist der Versuch einer Korrektur der nahezu uneingeschränkt verbreiteten These, dass der Drucker der Nachzügler des Schreibers sei und alle Formen der Drucktypen von handschriftlichen Vorbildern übernommen wurden. Es soll an verschiedenen Beispielen die Ausschließlichkeit dieser Schreiber-Drucker-These relativiert und damit aufgezeigt werden, dass einerseits Inschriften in Metall, Holz und Stein auch die Vorbilder der Stempelschneider für die Formen der frühen Druckschriften waren, andererseits aber auch Inschriften von den aufkommenden Druckschriften beeinflusst wurden.

Das Buch von STANLEY MORISON mit seinem Eingangszitat liefert erste Anhaltspunkte und noch folgende Zitate von Epigraphikern und Paläographen belegen diese These, bringen aber gleichzeitig zum Ausdruck, dass bislang ein Beweis durch eine umfangreiche Forschung noch nicht angetreten wurde. Ausnahmen bilden zwei wichtige Veröffentlichungen; zum einen die von PETER ZAHN, in welcher er am Beispiel der Fraktur der Nürnberger Friedhöfe Berührungspunkte epigraphischer Schriften mit Druckschriften aufzeigt. Zum anderen untersuchte FRANZ-ALBRECHT BORNSCHLEGEL unter dem regionalen Aspekt der Stadt Augsburg die technischen und theoretischen Aspekte typographisch erzeugter Schriften und deren Rezeption in der Epigraphik. Weitere über Zitate, Andeutungen und Vermutungen hinausreichende wissenschaftliche Veröffentlichungen zu dieser Wechselbeziehung sind nicht bekannt.

Methodisch erfolgt die Annäherung an die Gemeinsamkeiten erst über separate Betrachtungen der epigraphischen und druckschriftlichen Entwicklungslinien. Diese treffen und überschneiden sich in zeitlichen, territorialen, technischen und medialen Aspekten, in welchen die vergleichende Betrachtung den Kern der Untersuchung bildet. Da es sich um die Bildung formaler Gemeinsamkeit handelt und rein sprachliche und semantische Aspekte nicht berücksichtigt werden, sind die jeweils abgehandelten Bildbeispiele an die entsprechende Textstelle gesetzt. So wird parallel zu allen genannten Aspekten und technischen Entwicklungen der Prozess der wechselseitigen Beeinflussung visuell verdeutlicht.

Der Beginn des zu untersuchenden Zeitraums ergibt sich aus dem Anfang des Drucks mit beweglichen Metalllettern in Deutschland durch JOHANNES GUTENBERG, mit Sicherheit 1455 als Abschluss des ersten großen Buchdruckwerkes, der 1342, datiert. Die Hintergründe dieser Erfindung und ihre Auswirkungen auf die Thematik werden im Kapitel der technischen Einflüsse genau erläutert. Mit dem Jahr 1500 beschließt man kunst- und druckgeschichtlich die Inkunabelzeit, da fortan die Anzahl der europäischen Druckereien, die Menge ihrer aufgelegten Bücher und somit auch die Anzahl der Schriften unübersichtlich wird. Doch die Entwicklung von Schriften ist aus paläographischer und epigraphischer Sicht fließend; die für die Untersuchung wichtige Fraktur entstand erst Anfang des 16. Jahrhunderts, so dass sich der zu betrachtende Zeitraum bis ca. 1530 erstreckt. Es ist notwendig, Deutschland dabei (in seinen damaligen Grenzen) insgesamt zu betrachten, da unterschiedlichste territoriale Bedingungen und Einflüsse auch zu zeitlich verschobenen formalen Auswirkungen führen. Die zur Thematik relevanten Beispiele sowohl für Druckschriften als auch für epigraphische Schriften lassen sich in ganz Deutschland nach Faktoren wie Druckstandort, Gießereien, Konzentration von Inschriften etc. in unterschiedlicher Quantität und Qualität nachweisen. Eine besondere Bedeutung kommt dabei klar dem süd- und südwestdeutschen Raum mit den frühesten Druckstandorten Augsburg, Bamberg, Mainz, Nürnberg, Straßburg und Basel zu, aber auch Norddeutschland mit Lübeck. Es werden dazu auch verschiedene Parallelentwicklungen im gesamten deutschsprachigen Raum sowie Italien, Frankreich, den Niederlanden und Spanien zum Vergleich herangezogen.

Ansatzpunkt zum Vergleich zwischen den beiden großen Gruppen Druckschriften und Inschriften ist ihre Gemeinsamkeit der Dreidimensionalität. Der Vorgang des Schreibens ist immer ein zweidimensional-flacher, das Resultat formbildender Prozesse liefert aber oft erst ein dreidimensionaler Arbeitsschritt. Im Herstellungsprozess von epigraphischen Schriften und Druckschriften und in deren Ergebnis als erhabener oder vertiefter Inschrift einerseits und der druckfertigen Type andererseits liegt das Wesen der formalen Gemeinsamkeiten. Natürlich hat der geschriebene Text in seiner gesamten Erscheinungsform von Satzspiegel, Initiale, farbiger Auszeichnung und Schriftduktus Vorbildwirkung für die Buchdrucker und Stempelschneider der Inkunabelzeit und auch darüber hinaus gehabt. Dennoch ist Schreiben ein individueller und irreversibler Vorgang, bei welchem selbst dem geübtesten Kalligraphen nie zwei völlig identische Formen gelingen und daher geschriebene Schrift immer ein Unikat und Ausdruck der Persönlichkeit des Schreibers ist. Die Anfertigung einer Inschrift hat zwar bis zu einem bestimmten Arbeitsschritt genau wie die eines Stempels für den Buchdruck Unikatcharakter, doch liegen auf dem Weg dahin einige Parallelen im Herstellungsprozess selbst begründet.

Ganz besondere Aufmerksamkeit wird der Technik der Gieß- und Reproduktionsverfahren gewidmet, da sie Voraussetzung und auch Ausgangspunkt zum Beweis der anfangs erwähnten These sind. Wesentlich dabei ist die Rolle des Münz-, Siegel- und Goldschmiedehandwerkes, deren Techniken sowohl für Druckschriften als auch für bestimmte Inschriften große Relevanz haben.

Die Besonderheit der vorliegenden Arbeit liegt darin, dass im Bereich der Paläografie eine bisher wenig beachtete Schnittstelle zwischen den beiden großen Feldern der Epigraphik und Paläotypie aufgezeigt und verdichtet wird.

Ihr Wert liegt - bei aller Spezifik des Themas - aus kunstgeschichtlicher Sicht nicht nur in der Bearbeitung des erwähnten Desideratums, sie kann auch zur besseren Datierung von Inschriften dienen. Damit und auch mit der Erforschung früher Druckschriften soll ein Beitrag zu den großen Themen der Historischen Hilfswissenschaften geleistet werden.
Bestellungen an: Edition Lebensretter, Schlößchenweg 1, 04155 Leipzig